NOOCHRICHTE
61 (Oktober 2000)
Unser
Thema
Assistenzdienst
Ja Nein, oder doch?
Die
4. Revision des Invaliden-Gesetzes (IVG) ist zur Zeit in der «Vernehmlassung».
Zahlreiche Organisationen, Ins-titution, Behörden und Ämter
sind aufgerufen zur vorgeschlagenen Überarbeitung eines der
wichtigsten Sozialgesetze Stellung zu nehmen.
ms.
Neben unzähligen Detailfragen sieht diese 4. Revision die,
von den Behinderten schon lange geforderte, Einführung eines
finanzierten Assistenzdienstes vor. Damit sollen die Betroffenen
direkt von der IV Gelder erhalten, damit sie sich ihre «Hilfe»
selbst einkaufen können. In den Grundzügen sicher eine
unbestrittene Forderung und ein wichtiger Schritt zur Förderung
des Selbstbestimmungsrechtes behinderter Menschen aber wie
so oft liegt der «Teufel im Detail».
In
Deutschland wird dieser Assistenzdienst bisher durch Zivildienstleistende
wahrgenommen und damit auch vom Staat finanziert. Doch nun
steht auch dieses System in Frage, zumal die Bundesregierung plant,
den Zivildienst drastisch zu verkürzen. Eine hitzige Diskussion
ist deshalb dort im Gange.
Im
Rahmen der laufenden Vernehmlassung kommen aber nun von allen Seiten
«Probleme» zum Vorschein.
So
fehlen konkrete Massnahmen und Verbesserungen im Bereich «berufliche
Massnahmen», die den Entwicklungen in der Wirtschaft gerecht
werden. Invaliditätsbedingte Mehrkosten werden, wenn überhaupt,
nur sehr restriktiv gewährt. Die Vermittlung der immer wichtiger
werdenden sozialen Kompetenz (Kommunikations- und Teamfähigkeit)
ist nicht vorgesehen.
Aber
auch bei der Höhe der Assistenzentschädigung wird heftig
kritisiert. Maximal 1608 Franken pro Monat erhält dann
ein Behinderter, 402 Franken sind es bei Leichtbehinderten. Das
entspricht einer Verdopplung der bisherigen Hilfslosenentschädigung.
Reicht aber bei weitem nicht aus, ein wirklich selbstbestimmtes
Leben zu führen. Gerade mal 2 Stunden Assistenz pro Tag kann
sich ein Behinderter (bei einem Stundelohn von Fr. 30.) «einkaufen».
Die Grundidee, mit diesen Beiträgen die eigene Wohn- und Betreuungssituation
selber wählen und bestimmen zu können, bleibt ein gut
gemeinter, aber nicht realisierbarer Vorschlag, der Schwerbehinderte
weiterhin in die Heime schicken wird.
Noch
so ein «Hacken» an dieser Geschichte ist, dass gleichzeitig
die Zusatzrente für Ehegatten von Behinderten gestrichen werden
soll. Doch genau dazu hat des Schweizer Stimmvolk bereits beim ersten
Teil der 4.IVG-Revision schon einmal nein gesagt.
Ganz
nebenbei ist auch noch vorgesehen, die bisherigen Beiträge
an Behindertentransportdienste (TIXI, etc) für Freizeitfahrten,
mit der Begründung, mit der Assistenzentschädigung kann
sich ein Betroffener nun auch Transporte «einkaufen»,
ersatzlos zu streichen.
Man
wird den Verdacht nicht los, dass das ganze Vorhaben der Versuch
eines riesigen Spagates ist. Auf der einen Seite will man die Assis-tenzentschädigung
einführen und gleichzeitig soll gespart werden. Das kann ja
nicht gut gehen.
Gerade
der Vorschlag, die IV-Subventionen für Transporte ersatzlos
zu streichen, zeigt die «Kurzsichtigkeit» des Vorhabens.
Die Konsequenz wäre doch, dass bestehende Transportanbieter
verschwinden, da die Finanzierung nicht mehr gesichert ist, und
neue gar nicht entstehen können, da die Mehrkosten für
Spezialumbauten nicht mehr refinanziert werden können
oder ein Transport wird entsprechend teuer. Dies würde dazu
führen, dass sich der Behinderte weniger Fahrten «einkaufen»
könnte.
Man
kann es drehen und wenden wie man will: Es ist ein Flickwerk und
eine Sparübung unter dem Deckmantel der «Assistenzentschädigung».
Und man kann sich sehr wohl fragen, soll man jetzt für oder
gegen diese Revision sein. Denn einerseits ist ja eben der Ansatz
für ein selbstbestimmtes Leben der Behinderten endlich formuliert,
aber zu welchem Preis ?
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/ Ergänzungen: eMail: ivb@ivb.ch
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