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NOOCHRICHTE
58 (Dezember 1999)
Neues
Baugesetz in Basel-Stadt
Behindertengerechtes
Bauen wird endlich gesetzlich verankert!
Bisher verfügte Basel über keine gesetzlichen Bestimmungen
zugunsten behinderter Menschen bei Bauvorhaben. Diese Lücke
wird nun mit dem neuen Baugesetz gefüllt. Das neue Gesetz hat
zur Folge, dass die Initiative für betagten- und behindertenfreundliches
Bauen zurückgezogen wird.
Der Einzug von Regelungen zugunsten Behinderter im Bauwesen begann
im Jahre 1970. Der Bundesrat erliess damals Richtlinien, dass bei
allen vom Bund mitfinanzierten Bauten den Anliegen der Behinderten
entsprechend Rechnung zu tragen sei. Verschiedene Kantone folgten
diesem Beispiel und führten ähnliche Bestimmungen ein.
Der Kanton Bern wagte sich besonders weit vor. Nicht nur öffentlich
zugängliche Gebäude sollten den Behinderten zugänglich
gemacht werden, sondern auch Wohnüberbauungen. Heute, nach
bald 30 Jahren, verfügen fast alle kantonalen Baugesetze über
Bestimmungen für behinderte Menschen bei Bauten mit Publikumsverkehr
und bei Wohnbauten. Einzige Ausnahme: Basel-Stadt.
Hartes Pflaster in Basel
Auch in Basel gab es hin und wieder Vorstösse, diese Anliegen
im Baugesetz zu verankern. Doch bis Ende der 80er-Jahren war der
Widerstand beim Baudepartement hart wie Granit. Man war der Meinung,
man täte genug, ohne jedoch einen Tatbeweis liefern zu können.
Zwei Vorkommnisse veränderten dann aber die Lage. Einerseits
lancierte die SP eine kantonale Initiative für die Anpassung
des Baugesetzes. Sie konnte Anfang 1993 erfolgreich eingereicht
werden. Andererseits vollzog sich im Baudepartement ein Stabwechsel.
Der neue Vorsteher brachte einschlägige Erfahrungen mit architektonischen
Barrieren mit. Er erkannte, dass die anstehende Revision des Baugesetzes
hierbei wichtige Leitlinien legen konnte. Die nachfolgende Baudirektorin
führte tatkräftig dieses Vorhaben weiter.
Beispielhafte Bestimmungen
Der Entwurf des neuen Baugesetzes wies dann auch griffige Artikel
für behinderte Menschen auf. Doch noch waren sie nicht im sicheren
Hafen. Bei den anstehenden Kommissionsberatungen konnte noch vieles
schief gehen. Dank der aktiven Unterstützung einiger Kommissionsmitglieder
konnten aber alle Klippen ohne Schaden umschifft werden. Die zentralen
Anliegen sind mit dem neuen Baugesetz erfüllt. Der Artikel
lautet:
«§62 Bauten und Anlagen, die öffentlich zugänglich
sind oder in denen Leistungen öffentlich angeboten werden sollen,
müssen so erschlossen und eingerichtet werden, dass sie von
Behinderten benutzt werden können.
2 Gebäude, die Wohnungen oder für Behinderte geeignete
Arbeitsplätze enthalten, müssen einen für Behinderte
geeigneten Zugang haben. Sie müssen so erstellt werden, dass
sie ohne vermeidbare Umbauten den Bedürfnissen Behinderter
angepasst werden können, soweit es ohne Nachteil möglich
ist. Ausgenommen sind Einfamilienhäuser.
3 Der Regierungsrat bezeichnet eine Beratungsstelle für behindertengerechtes
Bauen. Die Beratungsstelle kann Baueinsprache und Rekurs erheben.»
Was bringen die Bestimmungen über behindertengerechtes Bauen?
Das neue Gesetz vollzieht zuerst einmal etwas, dass faktisch bereits
besteht. Grundsätzlich verfolgt man mit dem neuen Gesetz das
Ziel, die Berücksichtigung der Anforderungen behinderter Menschen
bei Bauvorhaben(Neu- oder Umbau) von öffentlich zugänglichen
Bauten sowie Mehrfamilienhäusern zu fördern. Ich denke,
den meisten Architekten ist es heute klar, dass die Anliegen behinderter
Menschen bei solchen Bauvorhaben miteinfliessen müssen. Das
Gesetz verbessert jedoch vier Dinge:
1. Die Architekten sind nach Einführung des Gesetzes gezwungen,
sich frühzeitiger und intensiver mit den Anliegen behinderter
Menschen auseinanderzusetzen, als sie es heute in der Regel tun.
Dadurch entstehen wesentlich mehr Erleichterungen und viel bessere
Lösungen.
2. Schwarze Schafe, die bisher nicht bewogen werden konnten, hindernisfrei
zu bauen, müssen diese Anliegen jetzt auch miteinbeziehen.
3. Die Anliegen behinderter Menschen müssen auch an Orten berücksichtigt
werden, welche bislang von vielen Architekten übergangen wurden,
so beispielsweise bei Mehrfamilienhäuser mit 10-12 Wohnungen.
4. Das Wichtigste: Die Stellung der behinderten Menschen im Bauwesen
wird durch das neue Besetz gestärkt. Bislang musste man froh
sein, wenn überhaupt etwas für behinderte Menschen getan
wurde (in der Regel war dies vom Goodwill des Architekten abhängig).
Man musste sich dann oft mit der minimalsten Massnahmen zufrieden
geben. Getan wurde, was grundsätzlich nicht weh tat. Sobald
die architektonische Gestaltung durch diese Anforderungen beeinflusst
wurde, warf man die Anliegen behinderter Menschen über Bord
oder es wurden Alibilösungen produziert.
Eric Bertels, Pro Infirmis
Mitteilungen
/ Ergänzungen: eMail: ivb@ivb.ch
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