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NOOCHRICHTE
57 (September 1999)
Leserbriefe
zum Thema Behindertentransport
Zur
aktuellen Situation im Behindertentransport
Leserbrief
von Franz Gmür, Bottmingen
Die
TIXI/IVB-Allianz wurde von den beiden Basler Regierungen mit dem
Versprechen auf Professionalisierung «in die Wüste
geschickt».
Der
König ist tot, es lebe der König. Das dachten wir alle
in Anlehnung an ein schon in der Schule gelerntes Zitat. Leider
blieb der König diesmal auf der Strecke. Das Versprechen
auf eine Professionalisierung für den Behinderten- und Betagtentransport
erwies sich leider als semantische Wortklauberei. Jetzt sitzen
wir zu Hause und spielen am Telefon Lotto, d.h. wir versuchen
unter der Nummer 633 33 60, eine Fahrt zu «gewinnen».
Seit
dem 01.07.1999 ist die 33er-Taxi AG für den Behinderten-
und Betagtentransport (BBT) in den beiden Basel zuständig.
Eine Ausschreibung ergab, dass dieses Unternehmen zu den günstigsten
Konditionen offerierte. Die KBB (Koordinationsstelle für
Fahrten Behinderter beider Basel), eine von den beiden Regierungen
gebildete Organisation, die für die Verwaltung der gesprochenen
Fr. 1,9 Mio. (staatliche Gelder) und die Auftragserteilung für
die Fahrten zu den von ihr ausgearbeiteten Konditionen zeichnet,
ist der eigentliche BBT-Betreiber. Im Parlament wurden uns 100000
Fahrten für dieses Geld versprochen. Inzwischen wurde diese
Zahl auf 75000 revidiert.
Im
Regionaljournal von Radio DRS vom 17.09.1999 erklärte der
Chef der 33er-Taxi AG, Karl Ruedi dass pro Tag ein Kontingent
von 140 Transporten zur Verfügung steht. Nach Adam Riese
ergibt dies bei 365 Tagen, die uns in einem Jahr zur Verfügung
stehen, rund 51000 Fahrten. Man stelle sich vor: dies ist
nur die Hälfte der ursprünglich versprochenen Anzahl
und selbst dies ist nicht genug. Denn eine Bedarfserhebung hat
ergeben, dass die wirklich benötigten Behindertenfahrten
bei ca. 350000 liegen. Doch dies alles spielt offenbar keine
Rolle. Wir werden mit einer Abwartetaktik hingehalten.
Gestatten Sie mir bei dieser Gelegenheit den Hinweis, dass es
Politiker gibt, die sich wundern, dass wir Schweizer zu einer
50% Demokratie verkommen sind. Doch die Stimmabstinenz ist eine
ausserparlamentarische Opposition gegen unglaubwürdige Politiker.
- Haben
wir einmal das Glück, und wir werden tatsächlich transportiert,
erwarten uns künftig neue Schikanen. Obwohl im Ratschlag
Nr. 8863 vom 16. Oktober 1999 unter Punkt 17 steht, dass Begleitpersonen
unentgeltlich mitfahren, hat die KBB beschlossen, dass ein Fahrobulus
zu entrichten ist. Nicht weiter schlimm? Vom finanziellen Standpunkt
nicht, aber vom moralischen, denn jetzt wird selbst der Ratschlag,
der von BS und BL abgesegnet wurde, zur Makulatur, Ob dies der
Glaubwürdigkeit dient, ist fraglich.
- Im
weiteren warten die 33er-Taxi nicht länger als 5 Minuten,
wenn sie eine Folgefahrt haben und sich der Fahrgast verspätet,
ansonsten sind die ersten 5 Minuten Wartezeit gratis und jede
weitere Minute kostet einen Franken. Dies gilt natürlich
nicht, wenn das Taxi zu spät eintrifft. Richtigerweise
müsste jeder Fahrgast ab der fünften Minute auch einen
Franken kriegen. Leider will die KBB, die diese Zwangsmassnahmen
sanktioniert, nur die Behinderten auf deren Kosten erziehen.
Schliesslich haben wir Behinderten, wenn wir uns das Recht auf
einen Transport herausnehmen, nur Pflichten.
- Sollte
eine betagte oder behinderte Person einmal krankheitshalber
eine bestellte Fahrt nicht antreten können und vergessen
haben, den georderten Transport zu annullieren, so wird künftig
für diese Leerfahrt der volle Taxipreis verrechnet, und
zwar für Hin- und Rückfahrt des Fahrzeuges. Dies kann
ganz schön ins gute Tuch gehen und zu einem wirklich teurer
Spass werden. Selbstredend gilt auch hier: Wenn ein Fahrgast
von der 33er-Taxi AG vergessen wird, muss er die Fahrt bei einem
anderen Anbieter oder bei den 33ern zu normalen Taxikosten selbst
berappen. Einmal mehr ist die Strafe einseitig zu Gunsten des
Stärkeren, dem Fahrgast bleibt nur übrig zu bezahlen
oder er wird nicht mehr transportiert.
- Personen
mit Dauerfahrten bezahlen künftig Fr. 7. pro Monatsrechnung,
d.h. Fr. 84. pro Jahr. Nebenbei bemerkt: Das U-Abo wird
den Benutzern gratis zugestellt.
Weshalb
nun die schleichende Teuerung?
Die
Vermutung liegt nahe, dass die 33er-Taxi AG, um den Auftrag von
100000 Fahrten an Land zu ziehen, zu Dumpingpreisen offeriert
hat. Bewusst oder unbewusst bleibt dahingestellt, denn dem Unternehmen
ist zugute zu halten, dass es mit diesem Auftrag Neuland betreten
hat. Andererseits ist es bei diesem Überangebot an Taxis
(gem. einem BaZ-Artikel) auf dem Platz Basel verständlich,
wenn ein Betrieb seine Kapazitäten auslasten und erweitern
will.
Es
stellt sich zudem die Frage ob es richtig ist, dass derselbe Regierungsrat
für die Vergabe der Taxilizenzen und für die Koordination
des Behindertentransport zuständig ist. Zweifel sind hier
angebracht. Der politische Vertrauensschwund kann auch forciert
werden.
Was
kann dieser Situation entgegengesetzt werden?
Erste
Schritte wurden bereits vorgenommen:
- Frau
Silvia Schenker SP reichte im baselstädtischen Grossen
Rat einen Anzug ein, der auf die bedenkliche Mobilitätssituation
behinderter und betagter Mitmenschen aufmerksam macht. Gegen
den Willen von Regierungsrat Ralph Lewin wurde der Anzug ohne
Gegenstimme ein recht seltenes Ereignis stehen
gelassen. D.h., dass dieses Begehren weiterbehandelt werden
muss.
- Auch
die Behinderten-Interessenverbände unter dem Dach der AKI
und einiger interessierter Einzelpersonen haben konstruktiv
reagiert und unter dem Vorsitz von Paul Schöni am 13.09.1999
eine «IGBBT» gegründet.
Was
ist nun die Aufgabe dieser Interessengemeinschaft? Als erstes
wurde eine kleine Kommission ins Leben gerufen, deren Aufgabe
es ist, mit Hilfe von Parlamentariern beider Kantonsparlamente
einen Nachtragskredit zu erwirken, um die versprochenen 100000
Fahrten zu erreichen.
In
einem nächsten Schritt wird ein langfristiges Sichern des
BBT zur Debatte stehen. Ich denke mir, dass neue Konstrukte, z.B.
eine dem Öffentlichen Verkehr nahe Stiftung nach Berner und
Zürcher Modell oder ähnliche Gebilde, geprüft werden
müssen. Der ganze BBT muss wohl in beiden Kantonen gesetzlich
verankert werden um dem politischen Wechselwetter zu entgehen.
Eine Initiative für eine echte Fahrberechtigung muss wohl
ergriffen werden.
In
der Zwischenzeit gilt es, flankierende Massnahmen zu treffen und
Zwischenziele zu erreichen.
Ein
erster Schritt in die richtige Richtung wäre ein rollstuhlfahrender
Vertreter des AKI-Vorstandes als echter Behindertenvertreter in
der KBB.
Liebe
Leserin, lieber Leser, ich bitte Sie alle, mitzuhelfen, dass wir
baldmöglichst einen bedarfsgerechten, ökonomischen und
zuverlässigen BBT in der Region Basel haben werden, bei dem
auch unsere Freunde aus den beiden Nachbarkantonen Solothurn und
Aargau integriert sind. Reklamieren Sie, wenn etwas nicht klappt,
bei der KBB in Liestal unter der Telefonnummer 061/927 56 22 oder
wenden Sie sich an Ihre Behinderten- oder Betagtenorganisation.
Lassen Sie nicht locker, deponieren Sie Ihre Anliegen, wenn immer
möglich, bei einem Parlamentarier, den Sie kennen.
Ich
für meinen Teil werde nicht locker lassen, um unser gemeinsames
Ziel zu erreichen. Selbst eine friedliche Behindertendemo in Basel
oder Liestal sehe ich als legitimes Mittel. Unterstützen
Sie uns alle in unserem Bestreben für einen Behindertentransport,
der uns in unserer Mobilität unterstützt, den nötigen
Freiraum verschafft und eine Teilnahme am sozialen und kulturellen
Leben sichert.
von
Franz Gmür, Rollstuhlfahrer Bottmingen
Zum
Beitrag von U. Schäfer in BaZ und Handicap Forum
Leserbrief
von Christopher A.Hutchinson, ehem. Geschäftsführer
TIXI
Sehr
geehrte Damen und Herren
Ich
habe mich bis heute nicht in die Diskussion um die Wahrheit oder
Unwahrheit bezüglich der Tixi-Auflösung eingeschaltet.
Zum Schäferschen Statement vom 28.7.1999 hinsichtlich
des Forum-Beitrages von Franz Gmür in der BaZ am 20.7.1999
habe ich noch geschwiegen. Aber nachdem ich Herrn Schäfers
Geschreibe auch noch im Handicap Forum 3 lesen muss, platzt mir
endgültig der Kragen.
Warum
gibt Herr U. Schäfer als Vertreter der KBB nicht endlich
einfach zu, dass er lange vor dem 30. November 1998 wusste, dass
Tixi aufhören würde, weil a) die KBB dem Tixi-Verein
bereits am 3.9.1998 mitgeteilt hatte, dass die Behindertentransporte
neu organisiert und ausgeschrieben werden sollten und die «Allianz
IVB/Tixi» allenfalls noch eine marginale Rolle in der Behindertentransport-Szene
spielen würde, b) die gleiche KBB dann sowohl in der BZ vom
17.10.1999 als auch in der BaZ vom 19.10.1998 öffentlich
bekannt machte, dass «die Würfel gefallen seien»,
«die Regierungen Alternativen zu Tixi und IVB suche»,
c) der KBB-Geschäftsleiter am 16. Dezember 1998 der IVB-Geschäftsleitung
anlässlich einer Sitzung mitteilte, «dass die IVB ihren
Fahrern am besten vorsorglich kündigen sollte, da es höchst
fraglich sei, ob die IVB ab 1.7.1999 noch für die KBB fahren
werde» (Protokoll vorh., kann eingesehen werden), d) die
KBB keineswegs durch die Entscheidung von Tixi, aufzuhören,
überrascht wurde, weil die Tixi-Verantwortlichen dem KBB-Geschäftsleiter
bereits im September 98 klar gesagt hatten, dass zwischen gewerblichen
Transportanbietern und ehrenamtlichen Fahrorganisationen kein
Wettbewerbsverhältnis aufgebaut werden könne, da die
Ehrenamtlichen sich dann ganz einfach von ihrer Tätigkeit
zurückziehen würden.
Warum
beharrt Herr Schäfer auf der Feststellung, dass die 33er
AG im Durchschnitt für die KBB nicht teurer komme als die
«Allianz IVB/Tixi»? Ist es Herrn Schäfer als
Sozialarbeiter und Geschäftsleiter des SIV nur daran gelegen,
dass die KBB, d.h., der Staat, finanziell möglichst günstig
davon kommt, dafür aber die Behinderten und Betagten mittels
Zuschlägen auf Fahrpreise und Kontingentierung rücksichtslos
zur Kasse gebeten werden? Er weiss doch ganz genau, dass die «Allianz
IVB/Tixi» im Jahre 1997 für die KBB für 1289302
Franken 92816 KBB-Fahrten erbrachte, also mit Fr. 13.89
pro Fahrt von der KBB abgespiesen wurde. Es kann Herrn Schäfer
auch nicht entfallen sein, die gleiche «Allianz IVB/Tixi»
im 1998 immer noch für 1419912 Franken genau
85554 KBB-Fahrten ausgeführt hat, d.h., von der KBB
pro Fahrt Fr. 16.59 erhielt. Und Herr Schäfer wird nicht
bestreiten, dass die «Allianz-Fahrpreise» für
die behinderten und betagten Fahrgäste alleweil die günstigeren
waren und eine staatlicherseits verordnete Rationierung der Fahrten
bei der «Allianz IVB/Tixi» nie zur Debatte stand.
Warum
rechtfertigt Herr Schäfer die Fr. 150000. KBB-Verwaltungskosten
u.a. mit dem miserablen Zustand der KBB-Fahrzeuge, welche nach
der Übergabe an die 33er AG erst einmal hätten instandgestellt
werden müssen? Tixi kann keine Schuld zugewiesen werden,
wenn die 33er AG aus Prestigegründen ihre KBB-Autos optisch
aufrüsten wollte und dafür der KBB offensichtlich auch
noch zusätzliches Geld abschwatzte! Hier sei vermerkt, dass
zu «Allianz-Zeiten» von der KBB nie Mittel für
ausserordentliche Instandstellungsarbeiten ausgezahlt wurden;
der Verein seinerseits setzte seine Spendengelder vorab für
den Transport von Behinderten und nicht für das Aufmotzen
von KBB-Fahrzeugen ein. Im übrigen war die Verkehrsicherheit
der Tixi-Fahrzeuge zu jeder Zeit gewährleistet.
Auch
Roland Kiefer (KBB-Geschäftsleiter und Mitstreiter von Herrn
Schäfer) sagte im Handicap Forum 2 in seinem Beitrag nicht
die Wahrheit mit der Feststellung, man habe den 99er Vertrag mit
der «Allianz» befristen müssen, weil diese zu
teuer geworden wäre und man im 1999 noch max. 56000
KBB-Fahrten hätte einkaufen können. Herr Kiefer entstellt
die Tatsachen ohne Skrupel und versucht, mittlerweile skeptisch
gewordenen Parlamentariern, Behinderten und Betagten etwas vorzumogeln.
Tatsache
ist, dass die KBB ab 1. Jan. 1999 - als bereits bekannt war, dass
Tixi per Mitte 1999 aufhören würde - für eine Allianz-Fahrt
schliesslich Fr. 26.00 berappen musste, weil Sponsoren, Spender
und ehrenamtliche Fahrer von Tixi aufgrund der bereits erwähnten,
negativen Zeitungsmeldungen schon Ende 1998 zuhauf ausgestiegen
waren und der Verein auch von seinen Mitgliedern als Folge der
KBB-Kommunikationspolitik kaum mehr Spenden und Vereinsbeiträge
erhielt (Protokoll zu diesen Ausführungen einsehbar).
Ich
möchte beiden KBB-Vertretern, Herrn U. Schäfer und Herrn
R. Kiefer, dringend empfehlen, sich unbedingt an Fakten und echte
Wahrheiten zu halten, wenn sie nicht riskieren wollen, in Zukunft
in aller Öffentlichkeit blossgestellt zu werden.
Im
übrigen hoffe ich doch sehr, dass die Behinderten endlich
selbst für einen effizienten Behindertentransport auf die
Barrikaden steigen und sich nicht mehr bevormunden lassen. Dass
vom Staat einfach mehr Geld bewilligt wird, wie sich das Herr
Schäfer und die KBB vorstellen, kann nicht die Lösung
des Problems sein. Denn mit mehr Geld würden auch die Begehrlichkeiten
der KBB massiv zunehmen, zumal sie allem Anschein nach lieber
heute als morgen eine kostspielige und behindertenfeindliche Amtsstelle
für Fahrten für Behinderte beider Basel einrichten
möchte, wo möglichst salärierte Beamte über
Fahrgesuchen brüten und den Gesuchen in einer Art Gnadenakt
dann vielleicht sogar stattgeben dürfen...
Christopher
A. Hutchinson, ehemaliger Tixi-Geschäftsleiter
Mitteilungen
/ Ergänzungen: eMail: ivb@ivb.ch
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