NOOCHRICHTE 56 (Juni 1999)

Unter uns......

Liebe Leserin, Lieber Leser
Nach Jahrzehnten des «stillen Protestes» lernen die Behinderten sich langsam lautstark zu wehren – und sie werden durch den Erfolg weiter motiviert.
Gerade mal einen Tag nach dem erfolgreichen Abstimmungswochenenden vom 13. Juni 1999 und einem deutlichen Nein gegen die Abschaffung der IV-Viertels-Rente, wurden 121‘000 beglaubigte Unterschriften zur Gleichstellungsinitiative der Bundeskanzlei in Bern übergeben.
Offensichtlich ist die schweizer Bevölkerung zwar für die Sarnierung des Finanzhaushaltes und für Sparen, aber nicht im sozialen Bereich. Die grosse Solidarität mit den Anliegen der Behinderten ist beeindruckend und macht Mut, gegen die jahrelange Diskriminierung weiter anzukämpfen.

Lediglich in unserer Region hat diese Entwicklung, zumindest auf politischer Ebene einen Dämpfer erhalten. Das angekündigte «Aus» des TIXI Behindertentransportes hat ausser etwas Achselzucken und einem schlechten Gewissen mancherorts nichts bewegt.
Eigentlich bedenklich, wie gleichgültig mit der bewährten Freiwilligenarbeit in politischen Kreisen umgegangen wird. Es muss wohl auch hier zuerst {finanziell) «weh machen», bis die Politiker aufwachen. Dann wird es allerdings zu spät sein und man wird sich wieder fragen, weshalb die Sozialleistungen stetig ansteigen und niemand mehr bereit ist sich zu engagieren.
Welche fragwürdigen Konsequenzen der stetig steigende Professionalisierungsanspruch der politischen Behörden und Subventionsgeber haben kann, zeigt sich in jüngster Zeit deutlich im Zusammenhang mit den Abklärungen des Sanitätsdepartementes.
Wahrscheinlich stimmt sogar die These, dass heute ein Pflegeheimplatz mit Vollpflege billiger ist, als wenn die Betroffenen noch zu Hause wohnen, den SPITEX-Dienst beanspruchen, ins Tagesheim transportiert werden und tagsüber im Tagesheim sind.
Nur ist dies ein «Ei» das sich der Staat selbst ins Nest gelegt hat.
Die freiwillige SPITEX-Organisationen mussten professionalisiert werden (heute sind sie fast doppelt so teuer wie vorher), der Transportdienst muss professionalisiert werden (wahrscheinlich ist auch der in nächster Zeit für den Staat doppelt so teuer).
Für die Wohnung müssen Ergänzungsleistungen aufkommen, weil die Renten nicht dem effektiven Wert entsprechen und nur spärlich angepasst werden und für die Tagesheime gibt es Betriebsbeiträge oder Subventionen vom Staat, die mit einem Leistungsauftrag verbunden sind.

Alle Faktoren werden also direkt (oder indirekt) vom Staat selbst stark beeinflusst und damit auch oft verteuert.
Und wenn der Staat dann merkt, dass seine Einmischungen eine massive Verteuerung gebracht haben, will er wieder sparen. Ein Kreislauf der entweder im Chaos endet oder aber immer mehr wertvolle Dienstleistungen abbaut.

Natürlich ist es für den Staat irgendwann «billiger» die Alten, Betagten und Behinderten in Heimen «zu versorgen», als ihnen noch die aktive Teilnahme im sozialen Umfeld zu ermöglichen. Diese Alten und Betagten, die Ihr Leben lang Steuern bezahlt haben und das vielgerühmte soziale Netz mit Ihren Beiträgen aufgebaut haben, sollen letztendlich abgeschoben werden.

Düstere Aussichten..... Darum sind gerade jetzt die Behindertenorganisationen aufgefordert, besonders wachsam zu sein. Entwicklungen und deren Konsequenzen losgelöst von Einzelbedürfnissen als gesamtes zu erkennen und entsprechend schnell zu reagieren um nicht wieder in die Phase des «stillen Protestes» zu fallen, die schlussendlich ausser dem persönlichen Frust nichts bringt.

Ihre Redaktion

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IVB / 08.01.2003