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NOOCHRICHTE
54 (Dezember 1998)
Ein
Ort für Demenzkranke: Das Psychogeriatrische Tagesspital
Wo
und wie können entlaufgefährdete oder verhaltensauffällige
Demenzkranke, die zu Hause wohnen, tagsüber betreut werden?
Eine Lösung bietet das Geriatrische Kompetenzzentrum Felix
Platter-Spital an: Nach einer Pilotphase von einem halben Jahr wurde
am 1. April 1997 das Psychogeriatrische Tagesspital (PGT) eröffnet.
Eine
Zwischenbilanz von Dr. A. Studer (Oberarzt Psychogeriatrie)
Das
Psychogeriatrische Tagesspital (PGT) hat sich folgende Ziele gesetzt:
Umfassende Abklärung (Assessment) auf körperlicher, mentaler,
emotionaler, funktionaler, sozialer und wirtschaftlicher Ebene zur
diagnostischen Einordnung der Erkrankung und detaillierten Erfassung
der Defizite und Ressourcen. Strukturierung des Tagesablaufes und
sinnvolle gemeinsame Tätigkeit in einer Gruppe, um den dementiellen
Abbauprozess zu verlangsamen, störenden Verhalten entgegenzuwirken
und dadurch die Lebensqualität der Patientin, des Patienten
zu verbessern. Temporäre Entlastung des Betreuungsnetzes, um
vorzeitiger Erschöpfung entgegenzuwirken und dadurch zu ermöglichen,
dass auch schwer Verwirrte so lange wie möglich im gewohnten
Umfeld bleiben können. Informationen und Unterstützung
für die Betreuenden auf allen Ebenen (medizinisch, psychologisch,
finanziell), um selbstverantwortlicher Handeln zu ermöglichen.
Das PGT ist offen für alle chronisch Verwirrten, ungeachtet
der Schwere ihrer Erkrankung, auch bei Entlaufgefahr oder schweren
Verhaltensauffälligkeiten. Diese Menschen werden erfahrungsgemäss
in bestehenden Tagesheimen nicht aufgenommen. Einzige Voraussetzung
für den Eintritt in dass PGT ist, dass die Demenzkranken grundsätzlich
zu Hause betreut werden.
Spezialisiertes
PGT-Team
Das Team des PGT setzt sich auf folgenden Berufsgruppen zusammen:
1 Psychiater mit Spezialkenntnissen in Alterspsychiatrie; 1 Assistenzärztin/Assistenzarzt;
4 Krankenpflegerinnen mit Spezialausbildungen in Geriatrie und Psychiatrie;
1 Aktivierungstherapeutin; 1 Psychologin mit Spezialwissen über
Demenz; 1 Sozialarbeiterin; 1 Physiotherapeutin.
Nur die Pflegenden sind ausschliesslich im PGT tätig, die übrigen
Berufsgruppen arbeiten schwerpunktmässig in verschiedenen anderen
Bereichen des Geriatrischen Kompetenzzentrums.
Gemeinsame
Tagesplanung
Unter
dem Motto «Gemeinsam sinnvoll den Tag verbringen» betreuen
vier Pflegende täglich maximal acht Patientinnen und Patienten.
Diese werden morgens von IVB-Chauffeur, der von einer unserer Mitarbeiterinnen
begleitet wird, abgeholt und abends wieder nach Hause zurückgebracht.
Die Anwesenheit der Pflegenden trägt dazu bei, dass die Angehörigen
und Patienten das Abschiednehmen besser ertragen. Auch dienen diese
kurzen Kontakte dazu, Informationen auszutauschen und kleinere Probleme
spontan anzugehen. Vereinzelt werden Patienten auch vom Spitex-Dienst
oder von Angehörigen zu Fuss ins Tagesspital begleitet.
Zum Tagesbeginn treffen sich alle zum gemeinsamen Kaffee. Bei dieser
Gelegenheit ist es möglich zu spüren, welche Aktivitäten
für diesen Tag in der Gruppe oder einzeln den Bedürfnissen
entsprechen. Bewegung ist ein wichtiges Element im Tagesablauf dementer
Menschen; deshalb sind die Bewegungsgruppen mit oder ohne Musik
eine beliebte Aktivität. Die einzelnen Übungen werden
so gestaltet, dass alle die Möglichkeit haben, gemäss
ihren Wünschen und Fähigkeiten mitzumachen.
Die gemeinsame Zubereitung des Mittagessens steht im Zentrum der
Aktivitäten am späteren Vormittag. Fast alle Patientinnen
und Patienten können mithelfen und etwas dazu beitragen, denn
viele der erforderlichen Fähigkeiten sind noch vorhanden und
können somit erhalten, gefördert oder neu geweckt werden.
Das gemeinsame Mittagessen ist ein Eckpfeiler im Tagesablauf. Es
bietet Orientierung und Sicherheit, da Rahmen und Ablauf vertraut
sind.
Am Nachmittag ist je nach Witterung und Bedürfnis ein längerer
oder kürzerer Spaziergang angesagt, oft verbunden mit einem
Cafébesuch. Diese Ausflüge sind wichtige Bestandteile
im Alltag, helfen sie doch, einerseits dem Bedürfnis nach Bewegung
gerecht zu werden, andererseits «unter die Leute» zu
kommen. Wenn Angehörige es wünschen, übernimmt das
Pflegepersonal die Körperpflege, zum Beispiel Duschen oder
Haarwaschen. Auch ärztlich verordnete medizinische Verrichtungen
(Verbände, Injektionen, Blutentnahmen etc.) werden im Bedarfsfall
ausgeführt.
Aktivierungstherapie
An
vier Vormittagen pro Woche wird das Pflegeteam durch eine Aktivierungstherapeutin
unterstützt, welche die aktivierende Betreuung der Patientinnen
und Patienten erweitert und intensiviert. Dabei steht nicht das
Aktivierungsangebot selbst zum Beispiel bei einem Spiel die
Regeln im Vordergrund, sondern die Beziehungen und das positive
Erlebnis. So ermöglicht der therapeutische Ansatz Erfolgserlebnisse,
Freude und dadurch eine Steigerung des Selbstwertgefühls. Dies
ist für alle Demenzkranken besonders wichtig, weil sie im Alltag
immer wieder an ihre Grenzen stossen und sich unverstanden, unfähig
oder gar als Versager fühlen.
In Grossgruppen, Kleingruppen oder Einzeltherapie sind die eingesetzten
therapeutischen Mittel sehr vielfältig. Sie erstrecken sich
von musisch-geselligem Beisammensein über Aktivitäten
des täglichen Lebens und geistiger Aktivierung bin hin zu handwerklichem
Gestalten.
Bezugspersonen
in der Pflege
Die
Patientinnen und Patienten werden meist von Familienangehörigen
schon seit vielen Jahren zu Hause betreut. Für viele bedeutet
dies eine 24- stündige, emotional und oft auch körperlich
belastende Aufgaben, wobei kaum Zeit für eigene Bedürfnisse
und Interessen bleibt. Die Angehörigen sind selbst am Rande
ihrer Belastbarkeit und am Ende ihrer Kräfte. Am aufreibendsten
die Demenzkranke, die rastlos und unruhig sind oder zu aggressivem
und verweigerndem Verhalten neigen. Es ist naheliegend, dass im
Umgang mit solchen Verhaltensstörungen erfahrenes Personal
mit viel Wissen über Demenzerkrankung notwendig ist.
Unser Betreuerteam arbeitet nach dem Bezugspersonensystem, wobei
jede Patientin, jeder Patient zwei Bezugspersonen hat. Die Angehörigen
werden bei Problemen und Fragen von den gleichen Bezugspersonen
beraten und unterstützt; regelmässig finden Standortgespräche
statt. Wir haben festgestellt, dass bei den betreuenden Angehörigen
ein grosses Bedürfnis besteht, Gedanken und Erfahrungen auszutauschen.
Deshalb findet etwa alle vier Monate ein Angehörigentreffen
mit Einbezug der Patienten statt. Im Bewusstsein um die Komplexität
des Problems ist es uns ein besonderes Anliegen, mit anderen involvierten
Personen und Institutionen wie Hausärztinnen und Hausärzten,
Spitälern, Spitex, Memory Clinic, Alzheimervereinigung eng
und gut zusammenarbeiten.
Psychologische
Abklärung
Eine
wichtige Aufgabe im Team übernimmt die Psychologin. Zu ihren
Aufgaben gehört es, bei Patienten neuropsychologische Abklärungen
durchzuführen. Dabei werden die kognitiven Fähigkeiten
umfassend beurteilt, um grössere Sicherheit bei der diagnostischen
Einteilung zu erreichen, um erhaltene Kompetenzen systematisch zu
erfassen und um bei wiederholten Untersuchungen den Krankheitsverlauf
zu dokumentieren. Die zusätzliche Erfassung von Befindlichkeiten,
emotionalen Reaktionen und allfälligen Verhaltensauffälligkeiten
dient dazu, die Demenzkranken besser zu verstehen und die Betreuung
zu verbessern und zu erleichtern.
Sozialberatung
für Angehörige
Der
Sozialberatung ist es ein Anliegen, die Angehörigen unserer
Patientinnen und Patienten kompetent und umfassend zu betreuen.
Sie kann die Familie des Patienten beraten, wenn es darum geht,
die optimale Betreuung zu finden. Eine Möglichkeit stellt dabei
das Tagesspital dar.
Gemeinsam wird besprochen, welche Kosten durch einen Tagesaufenthalt
entstehen und wer diese übernimmt (Transport, Aufenthalt mit
medizinischer und pflegerischer Betreuung, Therapien, Mahlzeiten).
Meist kommt dann auch zum ersten Mal die Hilflosenentschädigung
der IV/AHV und der Baselstädtische Pflegebeitrag zur Sprache,
wobei die wenigsten Angehörigen vorher wussten, was ihnen zusteht.
Oft berät der Sozialdienst die Angehörigen über mögliche
Hilfen und Hilfsmittel, welche ihnen und den Patienten den Alltag
zu Hause erleichtern können.
Wenn im Laufe der Zeit das Thema Pflegeheim auftaucht, kann die
Sozialarbeiterin zusammen mit der Bezugsperson kompetent Auskunft
über Anmeldung, Wahl des Heims und Finanzierung geben.
Das Psychogeriatrische Tagesspital schliesst eine wichtige Lücke
zwischen der Betreuung zu Hause und der Pflege im Heim bei Demenzkranken.
Wir kommen damit einem häufigen und dringenden Wunsch von Familien
entgegen, die ihre verwirrten Angehörigen so lange wie möglich
zu Hause behalten möchten. Gleichzeitig glauben wir, mit dieser
Betreuungsform die Lebensqualität der Betroffenen in schwierigen
Phasen der Demenzkrankheit zu verbessern. Durch ein Hinausschieben
des Eintritts in ein Pflegeheim können ausserdem Kosten im
Sozial- und Gesundheitswesen eingespart werden.
Quelle:
SANINFO 3.98
Mitteilungen
/ Ergänzungen: eMail: ivb@ivb.ch
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