NOOCHRICHTE 53 (September 1998)

BVB zur ÖV-Initiative

Wie sich die BVB zur Volksinitiative "für einen behinderten- und betagtengerechten öffentlichen Nah- und Regionalverkehr" stellen.

Wir haben die BVB gebeten, aus ihrer Sicht zur eingereichten Volksinitiative «für einen behinderten- und betagtengerechten öffentlichen Nah- und Regionalverkehr» Stellung zu nehmen:

Am 27. Juni 1996 wurde bei der Staatskanzlei die unformulierte Volksinitiative "für einen behinderten- und betagtengerechten öffentlichen Nah- und Regionalverkehr" eingereicht. Die Initiative zielt darauf ab, dass der öffentliche Nah- und Regionalverkehr soweit als möglich auch von Behinderten und Betagten selbständig benutzt werden kann.

Die BVB unterstützen die Stossrichtung der Initiative und haben auch bereits mit der Umsetzung erster Massnahmen begonnen. Für Seh- und Hörbehinderte werden sukzessive die Fahrzeuge mit automatischen Haltestellenanzeigen und Haltestellenansagen ausgerüstet. Für Gehbehinderte haben sich die BVB zum Ziel gesetzt, dass bis im Jahr 2003 jeder Tram- oder Buskurs mindestens einen Niederflureinstieg aufweist. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen einerseits neue Fahrzeuge angeschafft werden, andererseits wird ein Teil der bisherigen Fahrzeuge mit Niederflur-Mittelteilen - sogenannte Sänften - ausgerüstet. Bereits sind 24 Niederflurbusse mit Einstieghöhen von rund 15 cm ab Haltestellenkante, 6 Gelenktrams mit Niederflursänfte sowie 3 Sänften Anhänger im Einsatz.

Kontrovers wird die Frage beurteilt, ob in Niederflurfahrzeuge zusätzlich Rampen oder Hebevorrichtungen eingebaut werden sollen, um auch Rollstuhlfahrerinnen und Rollstuhlfahrern die ungehinderte Benützung von Tram und Bus ermöglichen zu können. Insbesondere auf den stark belasteten innerstädtischen Tramstrecken befürchten die BVB schwerwiegende betriebliche Nachteile.

Ausserdem ist der finanzielle Aspekt nicht vernachlässigbar. So kosten beispielsweise elektrisch bedienbare Rampen in der Anschaffung rund Fr. 15'000.- bis Fr. 30'000.- sowie zusätzlich jährliche Unterhaltskosten in Höhe von Fr. 1'000.- bis Fr. 2'500.- pro Rampe. Bei 353 im Linienverkehr eingesetzten Fahrzeugen der BVB ergäbe dies eine erhebliche Summe, wenn alle Fahrzeuge eine Rampe erhalten sollten.

Erfahrungen ausländischer Verkehrsbetriebe, welche flächendeckend elektrische Rampen eingeführt haben, weisen nach, dass durchschnittlich jede Rampe nur 5 mal jährlich benützt wird. Der Transport einer behinderten Person im Rollstuhl mit diesen Hilfsmitteln im öffentlichen Verkehrsmittel kostet also rund Fr. 200.- bis Fr. 500.-. Demgegenüber betragen die Selbstkosten pro Fahrt bei TIXI und IVB nur knapp Fr. 22.-.
Die BVB sind daher der Ansicht, dass ein derartiger Lösungsansatz beim heutigen desolaten Zustand unserer Staatsfinanzen nicht weiterverfolgt werden darf.
Neben elektrisch betriebenen Rampen werden von der Industrie auch handbetätigte Rampen angeboten. Diese kosten in der Anschaffung nur 10-30 % gegenüber elektrisch betätigten Rampen und sind je nach Modell auch im Unterhalt wesentlich günstiger.

Die BVB sind deshalb mit Vertretern von Behindertenorganisationen übereingekommen, im Sinne eines Versuches je eine Bus- und Tramlinie mit derartigen handbetätigten Rampen auszurüsten.

Der Versuchsbetrieb soll zeigen, wie häufig die Rampen benutzt werden, und er soll insbesondere auch darüber Auskunft geben, ob die Befürchtungen der BVB zutreffen oder nicht, dass nämlich der Einsatz von Rampen die Qualität des Basler Tram- und Bussystems nachhaltig verschlechtere und/oder Betriebsmehrkosten wegen der Notwendigkeit zusätzlicher Kurse zur Folge hat.

Je nach Ergebnis des Versuchs, bezogen auf diese klar messbaren Kriterien, wird über eine Erweiterung auf andere Tram- und Buslinien resp. über den Abbruch des Versuchs entschieden
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Nie werden jedoch die öffentlichen Verkehrsmittel in der Lage sein, die Behindertentransporte vollumfänglich zu ersetzen. Neben denjenigen Behinderten, die aus physischen Gründen nicht in der Lage sind, den Weg von oder zur nächstgelegenen Tramhaltestelle zurückzulegen, betrifft dies insbesondere auch diejenigen, welche aus anderen Gründen auf eine Begleitperson angewiesen sind (z.B. geistig verwirrte Personen).

Im Bereich des Behindertentransportes wird es nie möglich sein, auf Institutionen wie die IVB zu verzichten, indem jedoch der Zutritt zu den öffentlichen Verkehrsmittel für weniger stark Behinderte erleichtert wird, kann das Mobilitätsangebot für Behinderte insgesamt erweitert werden.

BASLER VERKEHRS-BETRIEBE
Dr. Georg Vischer, Vizedirektor

Mitteilungen / Ergänzungen: eMail: ivb@ivb.ch

IVB / 08.01.2003