NOOCHRICHTE 50 (Dezember 1997)

Warum werden Spenden gesammelt ?

Täglich zwei, drei Briefe von bekannten (und unbekannten) Hilfswerken im Briefkasten sind keine Seltenheit mehr.

ms. Natürlich fragen sich die Empfänger dieser Sammlungen oft, warum soviel gesammelt wird und wem Sie überhaupt für was Spenden sollen. Zumal bei dieser Flut von Sammlungen gar nicht mehr überblickbar ist, wer hilft wem am effizientesten.Verständlicherweise ist aber gerade diese Effizienz im Umgang mit den Spendengeldern eines der wichtigsten Entscheidungskriterien um zu spenden.

Warum wird gesammelt?

Wir können und wollen an dieser Stelle natürlich nicht über andere Organisationen berichten, vielmehr können wir Ihnen am Beispiel IVB erläutern, wie es zu dieser Art von Sammlungen gekommen ist.

Der Hauptgrund ist kurz und bündig beantwortet: Gesammelt wird, weil die schweizer Gesetzgebung es so verlangt.

Seit 1961 ist dank der Zustimmung durch das Schweizervolk auch der Gesetzesartikel 74 des Invaliden-Versicherungsgesetzes (IVGG) in Kraft.Gemäss diesem Artikel erhalten die (Dach-)Organisationen der privaten Invalidenhilfe Beiträge (80% der Lohnkosten) für die Beratung und Betreuung Invalider; die Beratung der Angehörigen Invalider; Kurse zur Ertüchtigung Invalider, die Aus- und Weiterbildung von Lehr- und Fachpersonal zur Betreuung und für die Ausbildung und beruflichen Eingliederung Invalider. Es ist der klare Wille des Gesetzgebers, dass die Organisationen neben diesen IV-Beiträgen finanzielle Eigenleistungen zu erbringen haben.

Das gleiche gilt für die Transportkosten. Sofern dieser Artikel nicht der anstehenden Gesetzesrevision &laqno;zum Opfer fällt», werden für Transporte zur sozialen Integration (sog. Freizeitfahrten) ebenfalls Beiträge gewährt.

Die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger von damals erinnern sich heute kaum mehr daran, dass sie sich mit diesem demokratischen Entscheid zur Solidarität mit den privaten Behinderten-Organisationen verpflichteten; und die jüngeren Generationen haben &laqno;nie davon gehört».

Dass das heutige System unseren angeschlagenen Staatshaushalt damit auch entlastet, dürfte allen klar sein.

In der Hochkonjunktur und den &laqno;guten Zeiten» wurde über die Vielzahl der Organisationen hinweggesehen. Mit zunehmend härterem Klima in der Privatwirtschaft, den alltäglichen Rufen nach weiteren Sparmassnahmen und eingefrorenen Löhnen werden die Stimmen zu Thema Sammeln kritischer.

New Public Management, Kostenoptimierung, Zusammenschlüsse, Kostentransparenz und Effizienz sind nur einige Schlagworte der Neuzeit die immer lauter gefordert werden.

Ebenfalls ein beliebtes Thema ist die Kosten-Nutzen-Analyse.

Darf eine Sammlung kosten?

Bei dieser Frage scheiden sich die Geister – in jedem Fall wäre es &laqno;blauäugig» zu glauben, von einem gespendeten Franken würde der ganze Betrag dem Sammelzweck zur Verfügung stehen.

Auch wenn immer wieder kritische Stimmen in diese Richtung laut werden, schiessen sie doch weit am Ziel vorbei, denn alles kostet Geld, auch das Sammeln!

Neben den Herstellungskosten für die Briefe, Prospekte und Einzahlungsscheine wird ein Löwenanteil der Kosten von der PTT verschlungen. Einmal das Porto für den Versand, dann noch zusätzlich die Kosten für jede Einzahlung.

Die effizienteste Art zu Spenden ist zur Zeit die direkte Überweisung auf das Bankkonto (Bank – Bank, Postcheck – Bank).

Was viele nicht wissen, sei hier speziell erwähnt: Die &laqno;teuerste» Spende ist die Bareinzahlung am Postschalter !

Innovation = Investition

Eine Faustregel aus der Wirtschaft, zählt auch im Sozialbereich. Will man &laqno;neue» Wege gehen, neue Dienste aufbauen oder bestehende Angebote verbessern und ausbauen, muss investiert werden.

Einerseits in Form von &laqno;Arbeitskraft»; ehrenamtliche Helfer müssen gesucht und betreut werden, neue Arbeitsplätze werden geschaffen und vorfinanziert, Projekte müssen vorbereitet und ausgearbeitet werden, usw.; aber auch in Form von finanziellen Mitteln: Mieten, Telefonkosten, Portkosten, Drucksachen, die restlichen 20% der Löhne, u.v.m. sind nicht subventioniert.

Auch das &laqno;Sammeln» und die Suche nach Sponsoren, Donatoren und Gönnern bedeutet Arbeitsaufwand, der explizit von den Subventionsbeiträgen des Eingangs erwähnten Artikel 74 IVGG ausgeschlossen wird. Sich also quasi selbst finanzieren muss.

Und gerade hier ist einer der grössten &laqno;Widersprüche» angesiedelt. Das &laqno;Sammeln» sollte so wenig wie möglich kosten und der Ertrag sollte möglichst vollumfänglich zur Verfügung stehen . Doch seien Sie ehrlich, welchem Spendenaufruf folgen Sie eher; dem fotokopierten, handgestrickten &laqno;08.15»-Brief oder dem gut (professionell) gestalteten mehrfarbigen, persönlichen Brief mit Foto und Grafik?

Wertvorstellungen

Wir alle haben gesellschaftliche Wertvorstellungen verinnerlicht. Werte wie Seriosität, Effizienz und Vertrauen orientieren sich an diesen &laqno;eigenen» Massstäben, die wir gelehrt haben. Und damit bewegen wir uns auch sehr stark auf der emotionellen Ebene jedes Einzelnen. Wir reagieren unbewusst auf Farben, Düfte und optische Eindrücke.

Heute wird vielfach die Effizienz und die Seriosität einer Organisation an ihrem Auftritt nach aussen gemessen - und der fängt beim Briefpapier an.

Effizienz und Seriosität ist dabei eng mit Professionalität gekoppelt, denn nur sie kann die geforderte Fachkompetenz, Kostentransparenz und Effektivität auch wirklich vermitteln und gewährleisten – Diese Professionalität kostet aber eben mehr Geld.

Spenden sind auch Anerkennung

Natürlich steht bei allen Sammlungen der finanzielle Faktor im Vordergrund. Genau so wichtig für eine Organisation ist aber auch die mit einer Spende verbundene Anerkennung der Leistung.

Wenn es den Verantwortlichen gelingt dem potentiellen Spender zu vermitteln, für was er spendet und wie sein Geld eingesetzt wird, so ist jede Spende auch die Gewissheit, dass verstanden wurde warum gesammelt wird.

Weitere Gründe, warum gesammelt werden muss

Nicht nur die gesetzliche Vorgabe des IV-Gesetzes zwingen die Behinderten-Organisationen zur Mittelbeschaffung. Viele gewachsene Dienstleistungen sind seit jeher von keiner Stelle &laqno;subventioniert».

An erster Stelle sei hier die ehrenamtliche Tätigkeit von zahlreichen Helferinnen und Helfern erwähnt.

Wie in jeder &laqno;anderen» Organisation, sei es der Fussballverein, der Jassclub oder der Turnverein, ohne aktive, ehrenamtliche MitarbeiterInnen geht es nicht.

Bei der IVB sind dies die zahlreichen Strickerinnen und Stricker die für den Herbstmessestand alljährlich Stricksachen herstellen, die zugunsten des Weihnachtspräsentes verkauft werden. Die vielen &laqno;guten Geister» im Hintergrund, bei der Organisation und Durchführung von kulturellen und gesellschaftlichen Anlässen.

Als zweites Beispiel sei der Transportdienst der IVB erwähnt. Wie bereits erläutert, werden nur die sog. Spontanfahrten im Freizeitbereich von der IV mitfinanziert. Alle regelmässigen Einzel-Transporte zur Therapie, zum Arzt, zur Dialyse, zur Arbeit und die regelmässigen Sammel-Transporte ins Tagesheim oder -spital sind davon ausgeschlossen.

Im Bereich der Einzel-Transporte wurde seit jüngster Zeit ein Leistungsauftrag mit den beiden Kantonen vereinbart. Doch auch darin wird explizit festgehalten, dass die Unterstützung mit Kantonsgeldern nur dann erfolgt, wenn ein bestimmter zusätzlicher Anteil an Transporten durch &laqno;Eigenleistung» erbracht und durchgeführt wird.

Im Klartext heisst dass, die kantonale Unterstützung wird nur dann gewährt, wenn auch Spenden &laqno;fliessen».

Dabei wird Ihnen sicher auch auffallen, dass dieses System als Ganzes sehr zerbrechlich ist und eine Organisation alles nur erdenkliche unternehmen muss, damit die finanzielle Lage stabil bleibt.

Spenden heisst also auch Zukunft sichern

Als Schlussfolgerung liegt es deshalb auf der Hand, dass jede Spende viel mehr als nur die Überweisung eines bestimmten Betrages ist.

Jede Spende hilft nämlich gleichzeitig mit, dass die staatliche Unterstützung weiter gewährt wird und die Organisation auch in Zukunft ihre Dienstleistungen anbieten kann.

Nicht zu vergessen, dem Spender winkt als &laqno;Prämie» die steuerliche Abzugsmöglichkeit. D. h. Spenden von Fr. 100.- und mehr können bei der Steuer abgezogen werden.

Mitteilungen / Ergänzungen: eMail: ivb@ivb.ch

IVB / 08.01.2003