NOOCHRICHTE 51 (März 1998)

Gegen die Streichung der kantonalen Beihilfen

Eine geballte Kraft von rund einem Dutzend Institutionen und politischen Parteien setzt sich vehement gegen die Streichung der kantonalen Beihilfen für Daheimwohnende zur Wehr. Wieder einmal wird am falschen Ort gespart!

ms/BaZ. Die eidgenössischen Sozialwerke AHV und IV sowie Ergänzungsleistungen des Bundes soll(t)en den Existenzbedarf von Bürgern grundsätzlich abdecken. Der Kanton Basel Stadt gewährt zudem kantonale Beihilfen, um die höheren Lebenskosten in der Stadt aufzufangen. Davon profitieren zur Zeit rund 7'000 Betagte und Behinderte.

Doch mit dieser Vergünstigung für Bezügerinnen und Bezüger, welche zu Hause wohnen, soll es, wenn es nach dem Willen des Grossen Rates ginge, nun bald ein Ende haben. Denn der Grosse Rat hat am 10. Dezember 1997 im Rahmen der Sparpaket-Diskussion bekanntlich beschlossen, diesen monatlichen Zustupf von 161 Franken (für Alleinstehende) beziehungsweise 362 Franken (für Ehepaare) nach und nach zu streichen. Das Sparpotential wird von der Regierung ab dem Jahre 2001 auf 10,7 Millionen Franken geschätzt (in diesem Jahr vorerst 1,6 Millionen).

Kein Franken wird gespart

Mehrere Verlierer auf der politischen Bühne und Selbsthilfeorganisationen haben in den Tagen danach bekanntgegeben, dass sie gegen diesen Parlamentsbeschluss das Referendum ergreifen oder dieses unterstützen werden. Im Dezember 1997 versammelten sie sich an einem Tisch, um die Öffentlichkeit über Motive und das weitere Vorgehen zu informieren.

Mit der Eliminierung der Beihilfen lässt sich im Endeffekt kein einziger Franken sparen. Die Erfahrung zeigt, dass es schlussendlich bloss zu einer Verlagerung von Kosten kommt, indem soziale Institutionen wie Pro Infirmis oder Pro Senectute zusätzlich einspringen müssten.

Finanzielle Knappheit beeinträchtigt ferner die soziale Integration und kann für einen vorzeitigen Heimeintritt mitverantwortlich sein. Das wiederum erhöht schlussendlich die Kosten gesamthaft. Zudem kann man festhalten, dass der Rückfluss von Beihilfeleistungen über Konsumausgaben in die Wirtschaft wesentlich höher liegt, als bei vielen Sachinvestitionen.

Laut der nationalen Armutsstudie macht ein Drittel der Rentnerinnen und Rentner aufgrund von Hemmungen (Schlagworte wie &laqno;Rentnerschwemme» machen ihnen zu schaffen) von ihrem Anspruch auf Ergänzungsleistungen keinen Gebrauch. Dass es den Älteren besser gehe als angenommen, ist wirklich bloss ein Vorurteil. Alte Menschen verfügten zwar im Durchschnitt über höhere Vermögen. Doch Durchschnittszahlen täuschen. Viele Ältere haben tiefe Einkommen und gar kein Vermögen. Durch die Abschaffung der Beihilfen werden jene doppelt bestraft, welche zeitlebens mit niedrigen Löhnen auskommen mussten.

Sparen an den Frauen

Nicht vergessen darf man zudem die benachteiligten Frauen der heute betagten Generation. Diese Frauen haben sehr oft zu tiefen Löhnen arbeiten müssen, mit entsprechend tiefen AHV-Renten und – wenn überhaupt – Pensionskassenleistungen. Um so mehr sind Frauen deshalb auf diese Beihilfe-Gelder angewiesen. Eine wohl auch heute noch geltende Statistik aus dem Jahre 1991 hat übrigens gezeigt, dass vier- bis zehnmal mehr Frauen Ergänzungsleistungen beziehen.

Isolierte Behinderte

Die Behindertenorganisationen, allen voran die Arbeitsgemeinschaft der Kranken- und Invalidenselbsthilfe (AKI), befürchten eine noch stärkere Isolation der Behinderten, wenn bei dieser Kategorie einmal mehr der Sparhebel angesetzt wird. Derzeit plant das Bundesamt für Sozialversicherung einen weiteren Leistungsabbau und möchte sogar die Beiträge an die Behindertentransportdienste ganz streichen, was ohne kantonale Kompensation zu massiv höheren Transport-Tarifen fahren würde.

Unter den nachfolgend aufgeführten Gruppierungen zeichnet sich vor allem in einer Beziehung ein klarer Konsens ab: So wird das Sparen an den sozial Benachteiligten nicht goutiert, solange auf der politischen Gegenseite keine Bereitschaft zu mehr Steuergerechtigkeit (Leistungsfähigkeitsprinzip) besteht. Das Liebäugeln mit einem neuen Schauspielhaus oder anderen Investitionen deutet ferner darauf hin, dass es um die finanzielle Lage im Stadtkanton noch nicht so dramatisch schlecht bestellt sein dürfte.

Das Referendum wird von folgenden Kreisen unterstützt:

AKI beider Basel, Avivo (Schweizer Senioren-, Invaliden-, Witwen- und Waisen-Organisation), Basta, Basler Gewerkschaftsbund, Frauenliste, Gewerkschaft Erziehung, Pantherinnen und Panther, Grüne Partei, Neue PdA, PdA 1944, Schweizerische Gesellschaft für ein soziales Gesundheitswesen Sozialdemokratische Partei, unia und VPOD.

Sympathisanten können zudem bei Einzelpersonen im mittleren politischen Spektrum (DSP, VEW) und selbst bei einigen Bürgerlichen ausgemacht werden, welche der Streichung im Parlament nur wegen des Fraktionszwangs zugestimmt hätten. Auch stehen Pro Infirmis und Pro Senectute hinter dem Referendum. Sie können es sich als staatlich subventionierte Institutionen aber nicht leisten, im Komitee mitzumachen!

Unterschriften-Sammlung erfolgreich

Die notwendigen 2'000 Unterschriften für das Referendum sind noch vor der Eingabefrist Ende Januar gesammelt worden. Eine Abstimmung findet voraussichtlich im April 1998 statt, vermutlich zusammen mit anderen angekündigten Referenden (Schulvorlage, Motorfahrzeugsteuer).

Und es liegt dann in den Händen der Bürgerinnen und Bürger die Streichung der kantonalen Beihilfen zu verhindern.

Darum appellieren Sie in Ihrem Freundes- und Bekanntenkreis: «Jede Stimme zählt».

Mitteilungen / Ergänzungen: eMail: ivb@ivb.ch

IVB / 08.01.2003